Breite die Flügel aus …. Follow your dreams!

Breite die Flügel aus …. Follow your dreams!

„I can dream the impossible

I fear not the obstacle

for I believe in me …“

Da standen sie, die jungen Menschen der Schule SMK Bali Mandara (High School) und sangen voller Inbrunst ihre Schulhymne: „Ich träume das Unmögliche …!“

Es war das Ende eines bewegenden Abends letzten August in dem kleinen Dorf Air Sanih, östlich von Singaraja im Norden Balis. Elf Schülerinnen und Schüler dieser Schule hatten sich  mit ihrem Schulleiter in Wayans Haus getroffen, um gemeinsam mit uns und Wayans Familie den Unabhängigkeitstag Indonesiens zu feiern. Natürlich erklang am Beginn des Abends die Nationalhymne, und ebenso selbstverständlich wurde der Abend mit der Schulhymne beschlossen. Die Nationalhymne erinnerte an den Grund für die Einladung, die Schulhymne war der Dank an alle, die das gemeinsame Feiern ermöglicht hatten – allen voran Wayan Suantika und sein Onkel Wayan, der Hausherr. Und der Dank galt auch uns beiden deutschen Gästen, Bettina und mir.

„Meine Eltern hätten niemals das Geld für die Highschool gehabt“, erzählte uns die 16jährige Made. „Dabei hatte ich doch einen Traum, seit ich klein war – ich wollte unbedingt einmal in das Land, aus dem die Walt Disney Figuren kamen, die man im Fernsehen sah. Aber dazu musste ich ja Englisch lernen!“ Deshalb war Made überglücklich, als sie das Stipendium für die Bali Mandara Highschool erhielt, und sie fasste den Plan, an jedem Englisch-Sprachwettbewerb teilzunehmen, um ihrem Ziel Amerika ein Stückchen näher zu kommen.

„Bei meinem ersten Wettbewerb war ich überzeugt, dass ich gewinnen würde, weil ich gewinnen wollte. Aber in der Pause war da ein Schüler einer anderen Schule, und der sprach Englisch, als ob es aus dem Fernseher käme. Da wusste ich, der gewinnt und ich verliere! Am Abend auf meinem Zimmer habe ich zuerst furchtbar geweint, doch dann habe ich mit meinen Eltern telefoniert, und die haben mich nicht nur getröstet, sondern mir auch klar gemacht, dass ich eine Verpflichtung gegenüber meinem Land habe und der Gesellschaft, die mir die Schule bezahlt. Und dann habe ich mein Ziel geändert und mir gesagt: Ich lerne immer, wenn ich an einem Wettbewerb teilnehme, und nicht nur, wenn ich den 1. Preis gewinne!“

Bemerkenswerte Menschen hatten sich da an jenem Abend zusammengefunden. An erster Stelle ist Wayan Suantika zu nennen, 30 Jahre alt, der aus ärmsten Verhältnissen stammt und es dank Bettinas Unterstützung zum Abschluss der Highschool, zum Studium mit BA-Abschluss in Denpasar und schließlich zum Master-Abschluss „International Relations“ in Surabaya gebracht hat. Ein unglaublich begabter junger Mann mit einer großen Vision: Für seine Heimat Bali den Weg in die Zukunft zu eröffnen. Und dieser Weg führt nach seiner festen Überzeugung über Bildung und Erziehung.

Deshalb geht dieser junge Mann mit einer außergewöhnlichen Zielstrebigkeit vor. Den Gouverneur Balis hat er davon überzeugt, dass es genügend viele begabte junge Menschen gibt, die allein wegen ihrer Armut nicht studieren können. Das Ergebnis ist die SMK Bali Mandara, eine staatliche Oberschule für Jugendliche, die einen strengen Auswahltest bestehen (von fast 1000 Bewerbungen können nur 120 berücksichtigt werden) und deren Eltern nachweislich das reguläre Schulgeld nicht bezahlen können. Diese Studierenden erhalten ein Vollstipendium für die Internatsschule. Und ihr Dank ist ein ungeheurer Leistungswille und eine Zielstrebigkeit, wie ich sie in europäischen Schulen kaum einmal erlebt habe.

Als Wayan uns letztes Jahr von dieser Schule erzählte und uns vorschlug, während unseres Sommeraufenthaltes mit den Schülerinnen und Schülern einen Workshop zum Thema „Inspiration“ zu halten, sagten wir sofort zu. Bettina machte sich daran, das ganze vorzubereiten, und so standen wir schließlich in der Aula der Schule und hatten unser erstes Aha-Erlebnis: Die ersten Jugendlichen kamen in den Raum, grüßten und setzten sich in die erste Reihe, dann wurde die zweite besetzt, die dritte und so fort. Aus Deutschland waren wir das Gegenteil gewohnt – der ersten Reihen bleiben zunächst einmal frei.

In den folgenden zwei Stunden erlebten wir ständig neue Überraschungen. Alle hörten mit großer Aufmerksamkeit zu, alle beteiligten sich an der Bearbeitung der Arbeitsbögen, die Partnerarbeit funktionierte überall und mit großer Ernsthaftigkeit, und auf die Frage, wer denn seine Ergebnisse vortragen wolle, gingen gleich mindestens ein Dutzend Hände hoch. Erstaunlich war auch, mit welcher Selbstverständlichkeit die Ergebnisse in freier Rede vorgetragen wurden. Als ich den Schulleiter, Pak Pawanasuta, danach fragte, erklärte er das schlicht mit Übung. Vor einer Gruppe etwas frei vorzutragen gehöre zu den Zielen seines Unterrichts.

Pawanasuta hatte noch mehr zu berichten. Die neu aufgenommenen Schülerinnen und Schüler (mit allen führt er nach der Aufnahmeprüfung ein persönliches Gespräch) schreiben in der ersten Woche ihre Ziele für das erste Jahr auf einen Zettel, der dann im Büro des Schulleiters verwahrt wird. Am Ende des Schuljahres folgt wieder ein persönliches Gespräch, bei dem der Zettel hervorgeholt und überprüft wird: welche Ziele wurden erreicht, welche nicht, woran hat es gefehlt usw. Danach wird dann für das kommende Schuljahr eine neue „wish list“ geschrieben. „Und manchmal“, erzählte Pawanasuta, „kommt auch jemand während des Jahres und fragt nach dem Zettel, weil ein Ziel geändert werden soll. Das sind dann diejenigen, die ihre Grenzen aber auch ihre verborgenen Möglichkeiten erfahren haben und ganz schnell darauf reagieren!“

Berührend war zum Beispiel die folgende Notiz eines Mädchens, das in seinen Arbeitsblättern notierte: Meine  bisherigen größten Erfolge? Tanzsiegerin und Klassenbeste in der 1. und der 6.

Die Notiz im Original

Klasse.  In welchen Bereichen bist du zur Zeit erfolgreich?  Ich kümmere mich um meine Freunde. In welchen Bereichen möchtest du dich weiterentwickeln? Meine Gefühle kontrollieren, weniger krank sein, nicht so oft beleidigt sein.

Das Beispiel zeigt, welch hohen Stellenwert die sozialen Dimensionen für die jungen Menschen haben. Dazu gehören auch Inhalte, die für uns befremdlich erscheinen mögen. In ganz Indonesien ist es Tradition, dass die Schulen vor dem Unabhängigkeitstag an einem „Marsch-Wettbewerb“ teilnehmen. Dabei werden unterschiedlich lange Strecken zurückgelegt, die sich am Datum des Nationalfeiertags orientieren. Bewertet werden die Marschordnung (Gleichschritt, Formation), der Gesang und die Rhythmik der eigenen Anfeuerungsrufe sowie der Gesamteindruck der Gruppe auf die Wertungsrichter, die unerkannt und an wechselnden Stellen ihre Punkte verteilen.

Eine Gruppe der Schule beim Marsch-Wettbewerb, 3 km vor dem Sieg!

Die Schulen nehmen diese Wettbewerbe unglaublich ernst und ein Sieg steigert das Ansehen enorm. Auch dabei geht es nicht um bloßen Drill, sondern für die Schülerinnen und Schüler steht im Mittelpunkt, dass sie gemeinsam, als Team sich der Schule verpflichtet fühlen. Denn ihr verdanken sie es, dass aus ihren individuellen Träumen reale Zukunft wird.

Und im Sommer werden wir wieder dort sein und ein wenig dazu beitragen dürfen, Wege in die Zukunft zu eröffnen. Wir freuen uns schon sehr auf unsere SMK Bali Mandara!

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