Verbrennung auf Bali
„Wolltet ihr nicht schon immer mal eine Verbrennung sehen?“ fragte unser Freund und Hausbesitzer Gede eines Abends. „Morgen gibt es eine Zeremonie in Pacung. Ich kann euch hinfahren, wenn ihr wollt! Ihr braucht nur eure Tempelkleidung und die Kamera könnt ihr auch mitnehmen!“
Schon oft hatten wir die Vorbereitungen gesehen oder auch Prozessionen auf dem Weg zur Verbrennung. Aber jetzt unmittelbar daran teilnehmen zu können, das war schon etwas Besonderes. Sehr freundlich und völlig unkompliziert wurden wir am Verbrennungsplatz begrüßt und sofort übernahm jemand die Aufgabe, uns alles zu erklären. Eine 42jährige Frau war an Krebs gestorben, sie hinterließ Kinder und Geschwister. Ihre Schwester war schon einige Jahre vorher gestorben und, weil die Familie zunächst die Kosten für die Verbrennungszeremonie nicht bezahlen konnte, erst einmal auf dem Begräbnisplatz beerdigt worden. Für die Verbrennung wurden dann die Knochen von den engsten Familienmitgliedern wieder ausgegraben, gereinigt und in schöne Tücher gewickelt. Und so lagen nun die beiden Schwestern, der Leichnam der einen, die Gebeine der anderen, nebeneinander auf einem kleinen Scheiterhaufen und wurden zusammen mit reichen Opfergaben und mit Hilfe von Gasbrennern eingeäschert.
Was uns auf den ersten Blick so beeindruckte – wir sahen keine Tränen. Die Familie saß nahe beim Verbrennungsplatz, eine große Zahl Freunde und Nachbarn in weitem Kreis um sie herum, am Rande des Platzes spielte ein Gamelan-Orchester, daneben befand sich unter einem Baldachin ein großer Tisch mit den Opfergaben und einem Priester, der die Zeremonie leitete. Und niemand weinte. Es gab ernste Gesichter, ja, aber über allem lag eine gelöste, fast heitere Atmosphäre. „Warum sollten wir traurig sein?“, erklärte unser Freund. „Ihre Seelen können endlich die Erde verlassen!“
Diese Befreiung beginnt damit, dass die Körper und damit das stoffliche „Gefängnis“ der Seele verbrannt und zerstört werden. Aus der Asche entnehmen die engsten Familienmitglieder dann jeweils drei Knochenstückchen, die in einem Gefäß gesammelt und anschließend zu Asche und Staub gemörsert werden. Diese Asche wird mit einem kleinen Löffelchen auf ein Bananenblatt gegeben, und zwar so, dass daraus der Umriss einer menschlichen Gestalt entsteht. Anschließend wird das Blatt sorgfältig zusammengefaltet und in eine ausgehöhlte gelbe Kokosnuss gepackt, die dann zum Abschluss der Zeremonie dem Meer übergeben wird.
In Ubud hatte uns bei einer anderen Gelegenheit ein Bekannter, der als Religionslehrer arbeitet, sehr eindrücklich seinen Umgang mit Trauer beschrieben. Seine Mutter war kurz zuvor gestorben, und die Trauer um sie hätte ihn an der Arbeit gehindert, sie hätte ihn daran gehindert, für seine Familie zu sorgen, sie hätte ihn, wie er es zusammenfasste, am Leben gehindert. „Die Trauer kommt ja daher, dass wir an jemanden so viele gute Erinnerungen haben“, erklärte er. „Deshalb nehmen wir eine Blüte als Opfergabe, erinnern uns noch einmal an die guten und schönen Dinge und werfen die Blüte zurück über die Schulter. Wir lassen die Erinnerungen hinter uns, damit wir nicht trauern müssen, damit wir leben können!“
Neben diesem Umgang mit Tod und Trauer hat uns noch etwas anderes sehr nachdenklich gemacht. Die Kosten einer Verbrennung sind für balinesische Verhältnisse immens hoch. Eine Leiche wird nicht innerhalb von 48 Stunden verbrannt, sondern erst dann, wenn der Hindu-Kalender einen geeigneten Tag ausweist. Bis dahin muss der Leichnam mit Eis und mit Hilfe von Formalin konserviert werden, das ist teuer. Die Familie und die Nachbarn müssen, das verlangt die Tradition, zu einem ausgiebigen Essen eingeladen werden, das ist ebenfalls teuer. Die Leiche wird in einem eigens dafür hergestellten, prächtigen Turm aus Holz und Pappmaché zum Verbrennungsplatz gebracht. Je nach sozialer Stellung der Familie kostet ein solcher Turm mehrere tausend Euro. Und bei der Zeremonie selbst muss der Priester bezahlt werden, das Gamelan-Orchester spielt auch nicht umsonst, und alle Gäste werden wieder beköstigt. Eine Verbrennung kann so leicht ein ganzes Jahresgehalt und manchmal auch mehr verschlingen. Deshalb werden viele Toten aus ärmeren Familien zunächst einmal beerdigt und dann mit mehreren anderen zusammen in einer gemeinsamen Zeremonie verbrannt, das verringert die Kosten erheblich.