Geburtstag in unserer balinesischen Familie

Geburtstag in unserer balinesischen Familie

Keluarga kami di Bali – das ist unsere balinesische Familie in Air Sanih im Norden Balis. Inzwischen werden die Kinder erwachsen und heiraten und die nächste Generation kündigt sich an. Das bedeutet auch, dass wir dann und wann hören: „Nächste Woche kann ich nicht telefonieren, da habe ich keine Zeit. Wir feiern Otonan!“ Ein balinesischer Geburtstag steht bevor!

Was bedeutet das – Otonan? Wenn man einen Jugendlichen von vielleicht 13 oder 14 Jahren nach seinem Alter fragt, kann die Antwort lauten: „Ach, ich habe 26 oder 27 oder 28 Otonan gefeiert!“ Um das zu verstehen, muss man einen Blick auf den balinesisch-hinduistischen Kalender werfen. Ein Monat umfasst normalerweise 35 Tage, ein  balinesisches Mondjahr dauert sechs Monate, also 210 Tage. Genau 210 Tage nach der Geburt vollendet sich somit das erste (Mond-) Lebensjahr eines Kindes, es feiert Geburtstag, eben Otonan.

Anders als bei unseren Kindergeburtstagen in Europa ist allerdings der balinesische Geburtstag kein Anlass für eine Party. Für die Familie ist es zwar auch ein Fest, in dem sich die ganze Freude über das Kind ausdrückt. Aber im Kern ist es eine religiöse Feier, bei der Reinigungs- und Segnungszeremonien im Mittelpunkt stehen.

Einmal geht es darum, alles Böse und Schlechte, mit dem das Kind möglicherweise noch aus seinem vorherigen Leben belastet ist, durch eine äußere und innere Reinigung zu beseitigen. Als Symbol dieser Reinigung wird ein weißer Wollfaden um das Handgelenk des Kindes geknüpft. Dann opfert der Pemangku (Priester) die vorgeschriebenen Gaben den Göttern und bittet sie um ihren Segen für das Kind und sein zukünftiges Leben. Die Art der Opfergaben kann sich von Dorf zu Dorf, sogar von Familie zu Familie unterscheiden. Früchte, Kuchen und ein gebratenes Huhn gehören aber wohl immer dazu. Und wer kein Huhn hat oder sich keins leisten kann, der nimmt als Ersatz gekochte Eier.

Auch die Feier muss nicht zwingend von einem Pemangku durchgeführt werden. Der Vater des Kindes oder das Familienoberhaupt könnte ebenfalls die Zeremonie leiten.Das hat einen durchaus ernsten Hintergrund, denn wie bei allen balinesischen Feiern können die Kosten allzu leicht explodieren, und dazu gehören auch die „Gebühren“ für die Priester. Das ist bei Otonan nicht anders.

Die erbetene Segnung durch die Götter bezieht sich nicht nur auf das Kind, sondern auf die gesamte Familie. Deshalb werden nach der geistlichen Zeremonie die Opfergaben auf einer großen Platte angerichtet, die Mitglieder der Familie setzen sich im Kreis herum und essen gemeinsam diese Gaben. Sie werden damit Teil der unsichtbaren, mystischen Gemeinschaft, die jede Familie ausmacht und die sie gleichzeitig mit den Göttern verbindet. Der balinesische Geburtstag eines Kindes wird damit zu einer Art Geburtstag der ganzen Familie.

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